Dienstag, 11. September 2007

Revanchegelüste

Handball: HSV mit neuem Mut zum Altmeister

HAMBURG -

An den 13. Oktober 2006 kann sich Per Sandström noch gut erinnern. Gern würde er den Tag aus seinem Gedächtnis streichen. Doch die 20:31-Niederlage beim SC Magdeburg ist für den Schweden "eines dieser Spiele, die du nie mehr vergisst". Als er seinerzeit nach 15 Minuten von Goran Stojanovic den Posten im Tor der HSV-Handballer übernahm, hatte das Debakel beim Stand von 3:10 längst seinen Lauf genommen. Sandström machte seine Sache ordentlich, er parierte zwölf Würfe, sogar einen Siebenmeter, aber das reichte nicht, um die "Beerdigung erster Klasse" (Sportchef Christian Fitzek) abzuwehren. Die Predigt zum Trauerspiel hielt anschließend Präsident Andreas Rudolph: Von der wütenden Kabinenrede an die hoch bezahlten Angestellten erzählt man sich beim HSV noch heute. Nur der Schrecken ist gewichen.

Aus der sicheren Distanz fast eines Jahres betrachtet, markiert die schmerzvolle Niederlage einen Wendepunkt in der sportlichen Entwicklung des Vereins. Nur noch zwei Bundesligaspiele haben die Hamburger seitdem verloren (in Flensburg und in Mannheim), dafür Vizemeisterschaft und Europapokal gewonnen. Und sie haben ihren Komplex überwunden, bei Spitzenmannschaften nicht siegen zu können. Der HSV, der heute Abend (20.15 Uhr/DSF live) in die Bördelandhalle einläuft, ist also nicht mehr der, der sie in den vergangenen fünf Jahren stets als Verlierer verlassen hat. "Wir alle brennen auf Revanche", verspricht Sandström.

Die Chance dazu war nie größer. Sechs Leistungsträger haben den SC Magdeburg nach dem Gewinn des EHF-Pokals verlassen, zum Saisonende werden die polnischen Stars Grzegorz Tkaczyk und Karol Bielecki dem bereits abgewanderten Weltmeister Oliver Roggisch zu den Rhein-Neckar Löwen nach Mannheim folgen. Mit seinem Etat von offiziell 3,5 Millionen Euro hat der Champions-League-Sieger von 2002 den Kontakt zu den Branchenführern aus Kiel und Hamburg (jeweils 6,5 Millionen Euro) verloren. Nur mit Mühe konnte der Traditionsverein die Insolvenz abwenden, gegen Exmanager Bernd-Uwe Hildebrandt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Steuerhinterziehung und Bestechlichkeit. Sein Nachfolger Holger Kaiser spricht von einem "Umbruch" beim Altmeister: "Der THW Kiel, der HSV und die Rhein-Neckar Löwen haben Meilenstiefel an, die sind uns einiges voraus." Sportlich scheint der Rückstand überschaubar zu sein, fünf Tore waren es am Sonnabend bei der 25:30-Niederlage in Kiel. Trainer Bogdan Wenta hat die Rückkehr in die Champions League als Ziel ausgegeben.

Von einem sinkenden Schiff, sagt Vereinsidol Stefan Kretzschmar, als sportlicher Leiter frisch ins Management gewechselt, könne folglich keine Rede sein: "Das Schiff hat nur noch nicht Fahrt aufgenommen." Johannes Bitter drückt es, im Bild bleibend, so aus: "Der Wellengang war zuletzt ein bisschen hoch, aber die werden nicht von der Landkarte verschwinden."

Vier Spielzeiten lang stand der Nationalspieler im Tor der Magdeburger, bevor er im Juli als Weltmeister zum HSV wechselte. "Ich freue mich sehr auf die Rückkehr", versichert Bitter, was ein wenig überraschen mag. Als er sich eingangs der vergangenen Saison öfter auf der Bank als auf dem Feld wiederfand, fühlte er sich von Wenta dafür abgestraft, dass er seinen bevorstehenden Weggang publik gemacht hatte. "Ich habe von Anfang an mit offenen Karten gespielt", sagt Bitter. Deshalb fürchte er keine negativen Reaktionen der Fans: "Ich habe keine Angst, dort einzulaufen."

Mit einigen Spielern aus Magdeburg stehe er weiter in gutem Kontakt. Nur im Fall Bieleckis mischt sich Unbehagen in die Wiedersehensfreude: "Er ist einer der Spieler, gegen die ich nicht so gern im Tor stehe. Bisher waren wir zum Glück in einer Mannschaft. Aber in der WM-Vorrunde hat er mich rausgeschossen."
HSV mit neuem Mut zum Altmeister

Technorati Tags: , ,

Keine Kommentare: