Samstag, 8. September 2007

Ein Traum

"Wir spielen gern den Beschützer"
Der Nationalkeeper vor dem Hamburger Heimdebüt gegen TV Großwallstadt (Sa., 15 Uhr, Color-Line-Arena, NDR ab 17.30 Uhr) über die Folgen der WM und die Belastungen im Tor.

Von ACHIM LEONI,, STEFAN RECKZIEGEL

ABENDBLATT: Herr Bitter, wann haben Sie zuletzt an die Handball-WM gedacht?

JOHANNES BITTER: Heute Morgen. Ich habe in meiner Wohnung ein paar Kartons aufgeräumt. Dabei sind mir CDs in die Hände gefallen mit Bildern von der WM, die mir von Freunden und Bekannten zugeschickt wurden.

ABENDBLATT: War bei der Open-Air-Premiere des WM-Kinofilms "Projekt Gold" in Dresden noch etwas von WM-Euphorie zu spüren?

BITTER: Als wir gehört hatten, dass es 5000 Plätze gab, haben wir gedacht: Das wird bestimmt ein schönes Trauerspiel! Aber dann wurden so viele Karten verkauft, dass am selben Abend eine zweite Vorstellung stattfand. Es war überwältigend - echt der Hammer!

ABENDBLATT: Inwieweit hat diese WM den deutschen Handball nachhaltig nach vorn gebracht?

BITTER: Laut einigen Studien ist das Interesse schon wieder nahe an dem Punkt, an dem es vor der WM war. Aber ich bin überzeugt, dass der Zuspruch gesteigert wurde und dass einige, die vielleicht früher gelegentlich zum Handball gegangen sind, das nun regelmäßig tun. Den Dauerkartenrekord in Hamburg (3320 Tickets, die Red.)kann man auch darauf zurückführen. Auch bei den Sponsoren und beim Fernsehen hat sich ja etwas getan, wenn auch vielleicht nicht so viel, wie wir gehofft haben. Da bleibt schon etwas hängen.

ABENDBLATT: Auch für Sie?

BITTER: Ein paar bestehende Ausrüsterverträge wurden aufgestockt. Aber die großen Werbeverträge sind meines Wissens bei keinem von uns angekommen. Gehäuft haben sich vor allem die Anfragen nach Autogrammstunden. Da haben einige versucht, auf den WM-Zug aufzuspringen.

ABENDBLATT: Kommt Ihnen die WM vor wie ein schöner Traum?

BITTER: In gewissem Sinne schon. Diesen Titel zu haben ist schon etwas Cooles, den wird man nie wieder los. Weltmeister bleibt man ein Leben lang, auch wenn 2009 die nächste WM ansteht. Im Nachhinein war das Wichtigste, dass wir uns dadurch für Olympia in Peking qualifiziert haben. Das war vorher für uns utopisch. So haben wir nächsten Sommer immerhin zwei Wochen mehr Urlaub als geplant. Besser als nix!

ABENDBLATT: Die hohe Belastung der Spieler ist viel diskutiert worden. Wie groß ist sie für Torhüter?

BITTER: Körperlich sicher nicht so groß wie für Feldspieler, auch wenn die Tendenz dahin geht, dass ein Torhüter ein absoluter Athlet sein muss. Man muss so fit sein wie die Feldspieler - wenn nicht noch fitter. Die mentale Beanspruchung ist eventuell anspruchsvoller. Das Torhüterproblem ist, dass der Kopf irgendwann zumacht. Wenn man körperlich nicht regenerieren kann, kann es der Kopf erst recht nicht.

ABENDBLATT: Wie äußert es sich, wenn der Kopf zumacht?

BITTER: Man darf einfach nicht darüber nachdenken, wie es dem Körper geht. Wenn man sich müde fühlt oder schlecht trainiert hat, ist man viel zu sehr mit seinem Befinden beschäftigt. So weit darf es nicht kommen.

ABENDBLATT: Wie pushen Sie sich, wenn's mal nicht so gut läuft?

BITTER: Ich versuche, Glücksmomente zu produzieren, zum Beispiel indem ich an gehaltene Bälle aus dem letzten Spiel denke. Oder ich versuche die positiven Emotionen aus dem Publikum aufzunehmen.

ABENDBLATT: Und wie erholt man sich von der mentalen Belastung?

BITTER: Einige hauen sich nach dem Spiel sofort einen iPod ins Ohr und hören Musik, einige versuchen zu schlafen. Nach Auswärtsspielen versuche ich mich mit anderen Dingen zu beschäftigen: etwas lesen, mit den anderen spielen, einfach auf andere Gedanken kommen. Meistens kommen die Erlebnisse zu Hause, wenn man im Bett liegt, wieder durch. Vor der WM haben wir da viel Unterstützung bekommen von den psychologischen Betreuern, die haben uns ein paar Techniken beigebracht, Entspannung über Musik und solche Geschichten. Das wende ich weiterhin an.

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"Wir spielen gern den Beschützer"

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