Donnerstag, 23. August 2007

Phrasenschwein

"Was von uns verlangt wird, geht zu weit"
Sie sind Weltmeister, Rivalen und doch Freunde: Dominik Klein (23) vom Deutschen Meister THW Kiel und Torsten Jansen (30) vom Vorjahreszweiten HSV Hamburg. Im Interview mit WELT ONLINE sprechen die beiden Handball-Profis über die am Samstag beginnende Bundesliga-Saison, ihr Verhältnis und den besten Spieler der Welt.
WELT ONLINE: Herr Klein, zwischen dem 4. Februar und dem 2. Juni wurden Sie Weltmeister, Champions-League-Sieger, Pokalsieger und Deutscher Meister – woran denken Sie am liebsten?
Dominik Klein: An die Meisterfeier auf dem Kieler Rathausplatz. Da waren 20.000 Handball-Wahnsinnige, denen wir drei Pokale präsentieren konnten. Das war sensationell, und an solche Momente denke ich, wenn es in der Vorbereitung mal weh tut.
WELT ONLINE: Herr Jansen, was ist bei Ihnen hängen geblieben?
Torsten Jansen: Mir kommen die WM und unsere tolle Saison mit dem HSV schon wieder so weit weg vor. Vor uns liegt eine Mammutsaison, und ich bin nicht der Typ, der sich auf Erfolgen ausruht.
WELT ONLINE: Mit „Mammutsaison“ meinen Sie wahrscheinlich das Programm bis zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking.
Jansen: Was von uns verlangt wird, geht zu weit. Vor Olympia kommt ja noch die EM. Und nach Peking geht es fast nahtlos weiter. Schon oft wurde über die Gründung einer Spielergewerkschaft geredet – ich finde, wir sollten es endlich machen. Wochenende, Feiertage, Weihnachten oder Ostern – das kennen wir alles gar nicht mehr.
WELT ONLINE: Ist es wirklich so brutal?
Jansen: Wenn man über 30 ist, ist man leer nach einer WM. Total platt. Ich werde nach großen Turnieren regelmäßig krank, weil ich auf dem Zahnfleisch laufe. Das Immunsystem bricht zusammen, so fertig bin ich dann.
Klein: Ich kann „Toto“ gut verstehen, allerdings bin ich sieben Jahre jünger, und ich habe auch noch keine Familie. Ich will viel spielen, aber den „alten Hasen“, die seit zehn, 15 Jahren dieses Programm durchziehen, zolle ich großen Respekt.
WELT ONLINE: Schauen wir mal auf die Bundesliga – ist Kiel überhaupt zu stoppen?
Klein: Ich zahle jetzt gern ins Phrasenschwein ein, aber wir denken nur von Spiel zu Spiel.
WELT ONLINE: Wer sind die großen Konkurrenten?
Klein: Mal abgesehen von den üblichen Verdächtigen aus Flensburg, rechne ich wieder mit dem HSV, aber auch mit den Rhein-Neckar-Löwen, die ordentlich aufgerüstet haben.
WELT ONLINE: Gegen die Rhein-Neckar-Löwen gibt es für Kiel ein Wiedersehen mit Henning Fritz.
Klein: Deswegen mache ich mich nicht verrückt – im WM-Halbfinale gegen Frankreich musste ich gegen meinen Kieler Kollegen Thierry Omeyer ran. Das hat bekanntlich ganz gut geklappt.
WELT ONLINE: Herr Jansen, der HSV hat auch einen neuen Torwart. Johannes Bitter kam aus Magdeburg.Jansen: Das freut mich sehr. „Jogi“ ist einer von den Torhütern, gegen die ich ungern geschossen habe. Der macht so komische Bewegungen, damit kam ich nie gut klar.
WELT ONLINE: Ist der HSV mit ihm noch stärker als vergangene Saison?
Jansen: Ich bin keiner der gern Vorschusslorbeer verteilt – auch als Weltmeister kann man danach totale Scheiße spielen. Obwohl ich mir das bei „Jogi“ kaum vorstellen kann.
WELT ONLINE: Wer ist der beste Rückraumspieler der Liga?
Klein: Mein Nachbar Nikola Karabatic ist der beste Spieler der Welt. Wenn er gesund bleibt, wird er die nächsten fünf Jahre zum Welthandballer gewählt. Ich finde das gut, denn er hat in Kiel einen Vertrag bis 2012.
Jansen: Er hat Recht. Karabatic ist überragend. Dass er noch nie Welthandballer war, ist eine Frechheit. Er ist unheimlich dynamisch, er ist Schütze, Anspieler und auch hinten bärenstark. Der kann einfach alles und ist für jeden Gegner ein Albtraum.
WELT ONLINE: Die Freunde sind sich also einig – wie kam es zu Ihrer Freundschaft?
Klein: Als ich zum ersten Mal bei der Nationalmannschaft war, wurde noch positionsbezogen geschlafen.
Jansen: „Mini“ – Entschuldigung! Aber das hört sich jetzt doch sehr missverständlich an.
Klein: Ich meine, wir haben uns ein Zimmer geteilt. Und weil ich nichts falsch machen wollte, habe ich „Toto“ ständig mit Fragen genervt. Der hat die Nerven behalten, und das fand ich sympathisch. Außerdem haben wir den gleichen Humor.
Jansen: Jetzt fang nicht wieder mit der „Stromberg“-Arie an!
WELT ONLINE: Sie meinen die Fernsehserie?
Klein: Genau, die meine ich. Wir waren „Stromberg“-Junkies, haben jede Folge doppelt und dreifach gesehen, und „Toto“ kann ihn perfekt nachmachen.
Jansen: Na klar. Ich bin ja auch gelernter Bankkaufmann. Nur gut, dass wir nicht im Fernsehen sind, sonst müsste ich mich jetzt bestimmt „Stromberg“-Sprüche klopfen.
WELT ONLINE: Treffen Sie sich auch privat?
Jansen: Kiel ist zwar nur eine Stunde weg, aber wir schaffen das nur sehr selten. Ich habe ja auch eine acht Monate alte Tochter, ...
Klein: ...und was für eine süße...
Jansen: ...aber vielleicht schaffen wir es ja mal ins Kino zu den Simpsons. Ich will unbedingt das „Spider-Schwein“ sehen.
WELT ONLINE: Das sind doch tolle Aussichten, oder?
Klein: Schon, aber ich befürchte, er wird mir davon wieder nur am Telefon erzählen. Wir quatschen zwei-, dreimal die Woche – die ersten zwei Sätze über Handball, dann über Privates. Sein neues Haus, meine Freundin, über die Milchpreise, über alles halt.
WELT ONLINE: Darf ich von den Simpsons auf Stefan Kretzschmar kommen?
Klein: Nur zu. „Kretzsche“ findet die Simpsons auch gut.
WELT ONLINE: Also: Ein Handballidol hat seine Karriere beendet.
Klein: Ja, das ist sehr schade, denn „Kretzsche“ war mein Vorbild. Es macht mich stolz, dass ich in der Nationalmannschaft seine Nummer fünf übernehmen durfte. Als Jugendlicher habe ich immer versucht, mir seine Würfe abzugucken – aber die Dreher habe ich nie so gut hingekriegt wie er.
Jansen: Ich hab auch immer gedacht, so gut wie der werde ich nie. Ich habe neulich noch mit Stefan gesprochen, und er sagte, dass er nicht mehr das Feuer für eine weitere Saison in sich hat. Wenn das so ist, sollte man Schluss machen.
WELT ONLINE: Machen Sie Schluss, wenn Deutschland in Peking die Goldmedaille gewinnt?
Jansen: Nein. Das wär doch schön, neben der Silbermedaille von Athen noch eine Goldene zu gewinnen. Aber wie gesagt – ich bin kein Freund von solchen Prognosen. Fakt ist, dass Dominik sich auf ein tolles Erlebnis freuen darf.
Klein: Ich bin ehrlich gesagt auch schon total heiß drauf und würde mich wahnsinnig freuen, dabei zu sein. Zumal ich in den vergangenen Monaten ja schon alle anderen Trophäen in der Hand hatte. Und Erfolg macht bekanntlich Hunger auf Erfolg.

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