Montag, 4. Juni 2007

Der Tiger ist aufgewacht

Handball Kiel (34:28 gegen Nordhorn) holt 13. Titel, Hamburg (36:32 in Göppingen) erstmals zweiter
Meister für eine halbe StundeNach 30 Minuten lag der HSV vorn, am Ende Kiel.
Präsident Rudolph: "Wir alle können stolz sein!"
Von Rainer Grünberg
Göppingen -Es ist die Tragik einer langen Saison, dass am Ende selbst souveräne Siege manchmal wie Niederlagen empfunden werden. Seit zwei Wochen nun war den Handballern des HSV Tabellenplatz zwei sicher, und weil das meisterlich lockere 36:32 (21:18) bei Frisch Auf Göppingen am finalen Ranking nichts änderte, registrierten die Hamburger am Sonnabendnachmittag die Kunde vom Konkurrenten Kiel, deren 34:28 über Nordhorn, letztlich doch mit einem leichten Anflug Schwermut.
Es war zuvor dieser Halbzeitstand von 14:14 in der 770 Kilometer entfernten Ostseehalle, der den HSV fiktiv auf die Poleposition gehievt hatte, Fans und Vorstand in der Göppinger Hohenstaufenhalle fast eine halbe Stunde lang zum Träumen anregte und dem Bundesliga-Showdown zwischenzeitlich die erhoffte Dramatik gab. 340 000 TV-Zuschauer (14,2 Prozent Marktanteil in Norddeutschland) verfolgten dann auch die Entscheidung im NDR. Als aber gegen 16.30 Uhr abgerechnet wurde, standen die HSV-Profis mit leeren Händen da, ohne (die Kopie der) Meisterschale eben. Die stattdessen servierten Silbermedaillen baumelten wie verloren von den Hälsen herab.
Es blieb HSV-Boss Andreas Rudolph vorbehalten, im Trubel der in diesem Moment zweifelhaften Ehrungen den Blick auf das Erreichte zu richten: "Wir können alle stolz auf diese geile Saison sein", sagte er - und manch missmutige Mimik hellte sich bei den nächtlichen Feierlichkeiten in der Stuttgarter Innenstadt angesichts der prächtigen präsidialen Laune auf. "Titel sind vergänglich", wiederholte Rudolph gestern nach der Rückkehr in Hamburg beim Brunch mit den Spielern und deren Familien, "aber diese Mannschaft hat Stil und Charakter. Und das ist auf Dauer viel mehr wert."Es war die Stunde nach dem Abpfiff in der Umkleidekabine, die Rudolph sein Millionen-Engagement in Zukunft wohl noch leichter fallen lässt. "Wie einfühlsam die Jungs ihre sechs Kollegen verabschiedet haben, die den Verein nach der Saison verlassen werden, wie viele Gedanken sie sich über die passenden Geschenke und die richtigen Worte gemacht gaben, das hat mich stark beeindruckt. Und einige haben sogar ein paar Tränen verdrückt", sagte der Präsident.
Es ist nicht allein dieser Geist, der Anhänger und Angestellte weiter an dieses Team glauben lässt, es ist vielmehr diese kritische Grundeinstellung - das Nie-zufrieden-Sein -, die dem HSV eine noch erfolgreichere Zukunft verspricht. "Das war keine perfekte Saison", stellte Bertrand Gille klar, "und es wird der Zeitpunkt kommen, da müssen wir nachdenken, was wann warum schiefgelaufen ist, zum Beispiel bei der Niederlage in Kronau, die uns möglicherweise den Titel gekostet hat. Können wir diese Fragen ehrlich beantworten, werden wir noch stärker." Davon ist der scheidende Torhüter Goran Stojanovic überzeugt: "In diesem Verein schlummerte fünf Jahre lang ein Tiger. Jetzt ist er aufgewacht und will springen."
"Nächstes Jahr", sagt Geschäftsführer Peter Krebs, "holen wir die Meisterfeier nach. Unsere neue Mannschaft hat das Potenzial zum Titelgewinn."

Meister für eine halbe Stunde

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