Donnerstag, 31. Mai 2007

Erster Platz

THW oder HSV? - Das Doppel-Interview
Im spannendsten Saisonfinale seit sieben Jahren wird geklärt, wer deutscher Handball-Meister wird. Chancen haben Titelverteidiger THW Kiel als auch der punktgleiche HSV Hamburg.THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker und HSV-Präsident Andreas Rudolph rechnen mit einem erneuten Kieler Triumph. Rudolph stört jedoch, dass der THW so viele Titel holt. Der Champions-League-Sieger aus Schleswig-Holstein ist bereits zwölf Mal deutscher Meister und hat in dieser Saison auch noch den DHB-Pokal erobert.
dpa: Wer wird deutscher Meister?
Uwe Schwenker: 'Da kann ich mich immer nur wiederholen: Ich würde nie gegen unsere Mannschaft wetten.'
Andreas Rudolph: 'Der THW Kiel. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch.'
dpa: Warum hätte Ihr Rivale die Meisterschaft verdient?
Schwenker: 'Das sehen wir ganz sportlich: Wer am Ende Erster ist, hat es auch verdient. Aber wir haben es ja selbst in der Hand, und außerdem war für uns die Saison auch so schon sensationell.'
Rudolph: 'Weil der THW rund 100 Tore mehr hat als wir. Aber wir hätten es genauso verdient. Wir hatten ebenfalls eine grandiose Saison.'
dpa: Was schätzen Sie an Ihrem härtesten Titelrivalen?
Schwenker: 'Das ist einfach eine super Mannschaft, die eine tolle Rückrunde gespielt hat.'
Rudolph: 'Die große Kontinuität und Zuverlässigkeit der Arbeit in Kiel in den vergangenen 15 Jahren. Damit ist Kiel ein Vorbild für alle.'
dpa: Was stört Sie am anderen Verein?
Schwenker: 'Natürlich ist da Rivalität, das gehört auch dazu. Emotionen sind doch im Sport das Salz in der Suppe. Deswegen kann man aber trotzdem respektvoll miteinander umgehen. Ich habe nur die Sorge, dass der HSV total in Abhängigkeit von einer einzelnen Person ist. Die Frage ist: Was passiert, wenn so ein Mäzen sich einmal zurückzieht?'
Rudolph: 'Wir sind Konkurrenten. Da gibt es auch mal einen Tiefschlag. Es stört mich, dass der THW so viele Titel holt. Aber in der Dichte, also in dem kurzem Zeitraum unserer Existenz, sind wir besser.'
dpa: Es heißt, persönlich hätten Sie einige Probleme miteinander.
Schwenker: 'Wir kommen so weit ganz gut zurecht.'
Rudolph: 'Wir haben uns erst kürzlich in meinem Haus auf Mallorca getroffen. Da haben sich die Manager der Top-Clubs über einige Probleme ausgetauscht. Das war ein sehr harmonisches Gespräch. Uwe Schwenker wird unsere Überlegungen der HBL und dem DHB mitteilen.'
dpa: Ihre Teams waren so erfolgreich wie nie. Ist diese Saison noch zu übertreffen?
Schwenker: 'Wie soll man drei Titel noch übertreffen? Mehr kann es nicht geben. Wir haben zwar 1998 schon mal ein Triple gewonnen, aber damals war es 'nur' mit dem EHF-Pokal.'
Rudolph: 'Wir wollen schon noch deutscher Meister werden und auch um den Champions-League-Titel mitspielen. Kiel hat dafür elf, zwölf Jahre gebraucht. Wir wollen nicht so vermessen sein und ankündigen, nächsten Jahr holen wir den Cup. Aber in den nächsten fünf Jahren wollen wir im Finale stehen.'
dpa: Zeichnet sich in der Bundesliga ein Umbruch ab? Werden die Platzhirsche von heute auch morgen noch die dominanten Teams sein?
Schwenker: 'Ja, die werden weiter vorne dabei sein. Kronau wird dazukommen, und wir müssen sehen, was in Magdeburg passiert. Für den Handball ist es eine unheimlich interessante Situation, weil der Sport immer mehr zum Event wird, und der Trend in die großen Städte und Hallen geht.'
Rudolph: 'Kronau wird oben dabei sein. Ansonsten ist die Teilung der Bundesliga weiter vorangeschritten. Wir haben in dieser Saison nicht einmal gegen einen Verein verloren, der in der Bundesliga tiefer als Platz zehn steht.'
dpa: Müssen sich die Mannschaften künftig einen größeren Kader zulegen, um eine Saison zu überstehen?
Schwenker: 'Unser Kader wird nicht größer sein, das ist wirtschaftlich nicht zu stemmen. Die Belastung wird aber immer größer. Nach der kurzen Pause im Sommer werden die Spieler zwei Jahre nahezu ohne Pause durchspielen. Im nächsten Jahr müssen wir unsere Nationalspieler insgesamt vier Monate abstellen. Darüber muss man auch reden. Die Vereine stellen die Spieler ab und tragen zu hundert Prozent das Risiko. Wenn ich mir Ihr Auto ausleihe und eine Beule reinfahre, kann ich auch nicht einfach sagen: Das ist Ihr Auto. Die Verbände haben sich mittlerweile zu Konkurrenten der Vereine entwickelt.'
Rudolph: 'Ein größerer Kader ist nicht zu bezahlen.'
dpa: Bundestrainer Heiner Brand kritisierte unlängst, die Vereine stellen ihre Interessen immer mehr zu Lasten der Nationalmannschaft in den Vordergrund. Hat er Recht?
Schwenker: 'Das ist eine Frage der Perspektive, und er sieht eben auch nur seine Interessen. Ich könnte die ganze Geschichte umdrehen, aber ich bin nicht so populär wie er. Da ist es schwierig, gegen jemand wie Heiner Brand zu argumentieren. Außerdem wäre das nicht der richtige Weg. Wir müssen endlich mal alle an einen Tisch kommen.'
Rudolph: 'Wir können nicht jedes Jahr ein großes Turnier spielen. Die Spieler sind mehr als 150 Tage bei der Nationalmannschaft. Das ist oberhalb der Schmerzgrenze. Wir müssen darauf drängen, dass wir durch den DHB finanziell entschädigt werden, wenn wir Nationalspieler abstellen. Zudem sollte es WM und EM nur alle vier Jahre gegen.'
dpa: Hat die Liga den Handball-Boom durch die WM gut genutzt?Schwenker: 'Der THW ist das absolut schlechteste Beispiel dafür. Hier in Kiel ist der Handball zu Hause, und hier war er vorher schon zu Hause. Woanders ist aber schon eine gewisse Nachhaltigkeit entstanden.'
Rudolph: 'Wir haben im Schnitt 1800 Zuschauer mehr. Wie schwer dabei die WM und wie viel die Erfolge des HSV wiegen, können wir nicht sagen.'dpa: Welche Spieler des Titelrivalen hätten Sie gern in ihren Reihen?
Schwenker: 'Der HSV hat eine Vielzahl guter Spieler, im Moment brauchen wir aber keinen davon. Was soll ich mit einem Pascal Hens, wenn ich einen Nikola Karabatic habe?'
Rudolph: 'Wir sind mit unseren Spielern zufrieden. Aber für Kiels herausragende Saison waren Nikola Karabatic und Thierry Omeyer die Garanten.'
dpa: Wo stehen Sie am Ende der nächsten Saison?
Schwenker: 'Wir werden auch in Zukunft eine gute Rolle spielen.'
Rudolph: 'Hoffentlich einen Platz vor Kiel.'

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